Die Weissachmühle: Acht Generationen, drei Standbeine – eine Müllerin

Linda Köberle ist ein echtes Mühlenkind. „Ich habe früher schon als Kind in den Ferien hier mitgeholfen. In der Mühle habe ich mich immer wohlgefühlt und mich für alles interessiert“, erzählt sie. Zum Glück für den Familienbetrieb in der achten Generation: Als einzige von drei Schwestern steigt Linda in die Müllerei ein und möchte irgendwann die Weissachmühle im Allgäu übernehmen.

Linda Köberle

„Unsere Mühle wurde um 1800 erstmals erwähnt“, berichtet die Müllerin. „Heute sind wir ein hochmoderner Betrieb mit 120 Mitarbeitern. Darauf sind wir natürlich stolz, aber wir können uns trotzdem nicht auf unserem Erfolg ausruhen.“ In den letzten Jahrzehnten hat sich die Weissachmühle stark verändert. Zu der Mehlmühle kam zunächst ein Mischfutterwerk dazu, dann eine zusätzliche Spezialisierung auf Pferdefutter. Mit der Marke marstall ist das Unternehmen europaweit erfolgreich.

Um dieses dreiteilige Geschäftsmodell erfolgreich führen zu können, braucht Linda Köberle eine gute Grundlage. Sie ist dabei einen eher ungewöhnlichen Weg gegangen: Nach der Schule besuchte sie zunächst die Welfenakademie in Braunschweig, um dort Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Agribusiness im dualen System zu studieren. Mit den Praxiszeiten in einem Landhandelsunternehmen in Ratzeburg konnte sie außerdem eine Lehre abschließen, sodass sie im Anschluss an der Müllerschule nicht nur einen Abschluss als staatlich anerkannte Technikerin, sondern auch als Meisterin erlangen konnte.

„Mein Vater war schon auf der DMSB und wir sind dadurch mit Geschichten über die Braunschweiger Zeit und ‚Glück zu’ aufgewachsen. Daher hatte ich immer großes Interesse, dorthin zu gehen. Meinen Vater freute das selbstverständlich sehr. Ich glaube, alle Absolventen träumen davon, dass ihre Kinder Müllerschüler werden und bestärken sie auch darin“, vermutet Linda Köberle. Wer so gute Erfahrungen gemacht hat, möchte diese selbstverständlich weitergeben. Die Tochter profitiert im Alltag hauptsächlich von den technischen Fächern. „Planung, Verfahrens- und Maschinentechnik – diese Dinge helfen mir in der Praxis ungemein. Gerade für das Misch- und Pferdefuttergeschäft sind natürlich auch die Fächer über Tierernährung und Mischfutterproduktion sehr hilfreich.“

Beim Ausbau der Mühle weiß sie ganz genau, wie vorgelagerte Bereiche funktionieren. Wie gehen Mühlenbauer vor? Welche Variablen gibt es bei den Planungen und Berechnungen? Wie können Produktionsprozesse optimiert werden? Mit der soliden Ausbildung der DMSB im Hintergrund kann sie neue Entwicklungen der Mühlentechnologie gut einschätzen und weiß, was für den Familienbetrieb passt.

Die Mehlmühle produziert heute Bäckermehle aus Weizen und Roggen und liefert diese regional im Allgäu aus. Nutztierfutter wird im Jahr 2011 neugebauten Mischfutterwerk hergestellt, wobei die Weissachmühle sich hier auf die Produktion von Milchviehfutter konzentriert. Als drittes Standbein produziert das Unternehmen Pferdefutter unter dem Markennamen marstall. Dieses wird im gesamten europäischen Raum vertrieben. Die Sortenvielfalt im Pferdefuttersegment ist äußerst groß: Futtermischungen mit und ohne Getreide, für Freizeit- und Turnierpferde, Senioren und Fohlen, aber auch Ergänzungsfuttermittel lassen keine Wünsche offen. „Pferdebesitzer sind eine sehr anspruchsvolle Kundschaft. Sie wollen nur das Beste für ihr Tier.“ Als ehemalige Reiterin hat Linda Köberle dafür großes Verständnis. Sie freut sich, dass sie mit Pferdeliebhabern, Landwirten und Bäckern so unterschiedliche Kundengruppen hat. „So wird es bei uns niemals langweilig. Die Ansprüche, die Produkte, der Vertrieb und auch die Logistik sind sehr verschieden – da gibt es immer etwas zu optimieren.“

Entsprechend vielfältig sind die Mitarbeiter: Neben Müllern beschäftigt die Familie Köberle auch Landwirtschaftstechniker, Metallbauer, Lkw-Fahrer, Lagerlogistiker und auch viele kaufmännische Berufe. „Besonders für die Müllerei ist es oft schwer, Lehrlinge zu finden“, erklärt Linda Köberle. „Das Berufsbild ist leider nicht sehr bekannt – und oft wissen die Jugendlichen nicht, wie technologisch und spezialisiert der Beruf ist.“ Außerdem wünscht sie sich mehr weibliche Bewerber. „Früher war das sicherlich kein Frauenberuf. Aber die Zeiten sind vorbei.“ Sie selbst ist das beste Beispiel dafür.

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